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Zum Volkstrauertag 2023

Rede von Bürgermeister Steffen Ball anlässlich des heutigen Volkstrauertages:

Liebe Heusenstammerinnen und Heusenstammer,

immer zwei Sonntage vor dem ersten Advent erinnert uns der Volkstrauertag an alle Opfer von Krieg und Gewalt, deren wir gedenken wollen. Viele Millionen Opfer der beiden Weltkriege haben uns gelehrt, nicht zu vergessen.

Wir denken aber auch an alle Opfer aus unserem Land und vielen anderen Ländern, die die Kämpfe und Gewaltausbrüche unserer unmittelbaren Gegenwart fordern. 

Und wir denken darüber nach, wie wir heute auf Krieg und Gewalt reagieren und was wir als Bundesrepublik Deutschland, aber auch jede und jeder ganz persönlich hier in unserer Stadt, inmitten eines freien Europas gelegen, für Freiheit und Menschlichkeit auf der Welt tun kann. 

Sehen wir diesen Tag als Tag der Trauer und der Mahnung, aber auch als Tag der Hoffnung auf Versöhnung und Verpflichtung für die Zukunft. Darum sind wir hier.
 

Wir erinnern heute an die schlimmsten Zeiten deutscher Geschichte, an die beiden Weltkriege und besonders die Nazidiktatur.

Der Zweite Weltkrieg mit zig Millionen Toten – Soldateninnen und Soldaten, Zivilistinnen und Zivilisten, ermordete jüdische Mitbürgerinnenund Mitbürger, Opfer des Luftkriegs, Geflüchtete und Heimatvertriebene – war der größte und blutigste zusammenhängende Konflikt in der Geschichte der Welt. An seinem Ende lag ein ganzer Kontinent in Trümmern und wurde bald danach durch den so genannten Eisernen Vorhang geteilt. 

Als dann der Kalte Krieg zwischen Ost und West nach vier Jahrzehnten 1989 zu Ende ging, und die Mauer als „das“ Zeichen für Unterdrückung, Gefangenschaft und Androhung von Gewalt fiel, dachten wir, dass nun endlich Friede sei. Falsch gedacht.

Die Realität sieht anders aus.
 

Die Welt ist derzeit nicht gut. Es brodelt und explodiert an vielen Stellen. Die Weltgemeinschaft ist gespannt wie eine Feder. Gewalt, Krieg und Terror sind nicht weit von uns entfernt - wir sind mittelbar betroffen.

Im vergangenen Jahr stand der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im Fokus. Das Land ist immer noch täglichen Kriegshandlungen ausgesetzt, tausende Menschen werden verletzt oder getötet oder machen sich als Flüchtlinge auf den beschwerlichen Weg ins Ausland. Gerade jetzt, eben gerade wird geschossen und getötet. Dieser Krieg darf nicht „normal“, nicht „alltäglich“ werden. Wir dürfen die Leiden der Menschen in der Ukraine nicht vergessen – unsere Solidarität wird gefordert sein, wenn Waffen geliefert werden mit deutschem Geld, wenn es Winter wird und kalt in der Ukraine und sich viele wieder auf den Weg machen, um auch bei uns in Heusenstamm Schutz zu suchen – und hoffentlich auf Zuneigung treffen. 
 

Mit Schrecken, Wut, Fassungslosigkeit und sicher auch Angst beobachten wir die Lage in Israel sowie den gesamten Nahost-Konflikt, der das Potenzial hat, zu einer der größten menschlichen, zivilisatorischen und politischen Katastrophen unserer Zeit zu werden. 

Und der gerade uns Deutsche so unglaublich viel angeht.

Der 7. Oktober war eine Zäsur und wird ins Kollektivgedächtnis Einzug halten. Rund 1200 Frauen, Männer und Kinder wurden von den Terroristen der Hamas angegriffen, getötet und massakriert. Mehr als 200 Personen wurden entführt und niemand weiß, wie viele davon noch leben.

Israel ist ein kleines Land. Rund neuneinhalb Millionen Einwohner. Ich frage Sie: Wie würden wir reagieren und wie würden wir uns fühlenund wie würden wir handeln, wenn in Deutschland in einem unbeschreiblichen Gewaltakt innerhalb weniger Stunden im Verhältnis rund 10.000 Menschen ermordet worden wären?

Wieder sind es Soldatinnen und Soldaten, die ihren Staat und ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger verteidigen und die täglich alles dafür geben, dass man in Israel sicher leben kann. Wir sind Menschen und natürlich zeigen wir Mitgefühl für alle unschuldigen Opfer dieses Krieges. Es bleibt zu hoffen, dass die israelischen Soldatinnen und Soldaten auch die Palästinenserinnen und Palästinenser von der Geißel Hamas erlösen.

Der Krieg in Israel geht weit über den Konflikt einzelner Staaten oder Terrororganisationen hinaus. In Anlehnung an den ehemaligen Verteidigungsminister Peter Struck geht es tatsächlich darum, unsere Art zu leben, die auf den Prinzipien der Demokratie, Freiheit, Menschlichkeit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit basiert, zu verteidigen.

Die Werte, die wir schätzen und die die Grundlage unserer Gesellschaft bilden, sie sind keine selbstverständlichen Güter. Das können wir in diesen Tagen alle sehen.
 

Meine Damen und Herren,
der Volkstrauertag erinnert und mahnt uns an viele Werte, die inzwischen zu den Grundpfeilern unserer deutschen Gesellschaft und europäischen Gemeinschaft gehören.

Gerade wir Deutschen wissen aus unserer Geschichte sehr genau, dass Freiheit und Demokratie nicht von alleine entstehen und nicht von allein erhalten bleiben. Beide brauchen Menschen, die sie erkämpfen und bewahren, die sie schützen und stärken. 

Wir alle sind aufgefordert unseren Beitrag zum Erhalt des Friedens zu leisten. Für ein friedvolles, soziales Miteinander sind Achtung und Toleranz gegenüber unseren Mitmenschen unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft oder persönlichen Weltanschauung entscheidend. Im Kleinen wie im Großen. In Heusenstamm wie auf der Welt.
 

Wir müssen rechtzeitig erkennen, wenn Bürgerrechte ausgehöhlt und Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Wir dürfen menschlichem Leid gegenüber nie gleichgültig sein und müssen dort mutig einschreiten, wo Mitmenschen unsere Hilfe brauchen. 

Zivilcourage ist nicht nur ein Wort – es ist ein Lebenszeichen einer menschlichen Gesellschaft.
 

Der Volkstrauertag 2023 zeigt erschreckend deutlich, was unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Die Botschaft „Nie wieder!“ muss von einem Gedenktag wie diesem ausgehen, und wir müssen aus den Lektionen des 20. Jahrhunderts und von heute lernen. 

Wir müssen gegen Antisemitismus aufstehen und unsere Stimmen laut erheben – noch viel mehr, noch lauter.

Als Stadt haben wir als äußeres Zeichen unserer Verbundenheit, Freundschaft und Solidarität mit Jüdinnen und Juden und dem Staat Israel aus tiefer Überzeugung die israelische Fahne am Rathaus gehisst. Nach wenigen Tagen hatten Unbekannte die Fahne gestohlen. Den feigen Täterinnen und Tätern und Sympathisanten sei eines gesagt: Die Flagge wurde umgehend nach der Lieferung wieder gehisst – und wir werden es wieder und wieder tun, wenn die Flagge und damit die Identität des Landes Israel geschändet wird.

 

Ihr 
Steffen Ball

Bürgermeister

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