Eine Reise in die Vergangenheit

Die Entstehung Heusenstamms ist in geschichtliches Dunkel gehüllt. Als es am 12. Februar im Jahre 1211 erstmalig in einer Urkunde erwähnt wird, bestand es aus einer Burg und einem Dorf, die als Reichslehen von den Herren von Hagen, die ihren Sitz in der Dreieichenhainer Burg hatten, auf die Herren von Eppstein übergingen und von letzteren an die Ritter von Heusenstamm weiterbelehnt wurden.

Unter diesen Rittern von Heusenstamm erlebte das Dorf das wechselvolle Auf und Ab der spätmittelalterlichen deutschen Geschichte mit ihren vielen Kämpfen und Fehden. Einmal als Gefolgsmann, dann wieder als Gegner des Erzbischofs und Kurfürsten von Mainz, treten diese Ritter immer wieder in Urkunden auf - sie brachten ihrer Herrschaft Heusenstamm abwechselnd friedlichen Wohlstand sowie Not und Entbehrung der Kriege mit Belagerung und Erstürmung von Schloss und Dorf. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts, als Sebastian von Heusenstamm, der Sohn des damaligen Burgherrn Martin von Heusenstamm, Erzbischof von Mainz wurde, erlebte die Herrschaft ihre erste große Blüte. Damals wurde die alte Burg in eine geräumige Schlossanlage umgebaut, bestehend aus einem Wohngebäude (dessen Grundmauern am jetzigen Hinteren Schlösschen noch zu sehen sind), einem Wehr- oder Bannturm, der im großen und ganzen auch heute noch steht und einem weiten Vorhof, auf dem später das vordere Schloss errichtet wurde. Die ganze Anlage stand nach dem System der Wasserburgen auf aufgeschüttetem Grund, rings von Sumpf und Wassergräben umgeben.

Dem Aufstieg folgte bald ein entscheidender Niedergang. Nachdem sich 1560 die Reformation auch in Heusenstamm durchgesetzt hatte, brachte 1605 die Gegenreformation innere Wirren und Streitigkeiten. 1611 kehrten die Herren von Heusenstamm zum alten Glauben zurück, nachdem sie inzwischen am Wiener Hof in kaiserliche Dienste getreten waren. Der Ort wurde jetzt wieder ganz katholisch und die Konfessionskämpfe fanden ein Ende. Aber schon 1618 brachte der 30jährige Krieg Verwüstung und Elend in vorher nie gekanntem Ausmaß. Die Herrschaft wurde verpachtet, verfiel aber dabei mehr und mehr. Zwei Jahre war der Ort infolge einer großen Seuche völlig menschenleer und verlassen. Das Jahr 1648 brachte zwar den Frieden, aber keine Besserung der wirtschaftlichen Lage. Pächter und Herrschaft litten an chronischem Geldmangel, was schließlich dazu führte, dass Heusenstamm im Jahre 1661 verkauft wurde. Die Ritter von Heusenstamm behielten aber ihren Namen bei und lebten als Grafen von Heusenstamm später in Österreich.

Die Käufer und neuen Besitzer Heusenstamms waren die Ritter von Schönborn, die aus dem Westerwald stammten und durch Johann Philipp von Schönborn, Erzbischof von Mainz, Reichserzkanzler und Vermittler des Westfälischen Friedens zum ersten Male weithin bekannt wurden. Johann Philipps Bruder Philipp Erwein ging nach seinem Einzug in Heusenstamm sogleich daran, die Herrschaft zu vergrößern und die Schäden der Vergangenheit wieder zu heilen. Die Dörfer Obertshausen und Hausen wurden dazuerworben. Das vordere Schloss, ein langgestreckter und sich wuchtig aus der Tiefe des Schlossgrabens erhebender Renaissancebau - vorn ungegliedert, auf der Rückseite mit Arkaden versehen - wurde zwischen 1663 und 1668 auf dem Vorhof der alten Burg errichtet. Seine in den Grafenstand erhobenen Söhne, insbesondere aber sein Enkel Anselm Franz von Schönborn (kaiserlicher General und Inhaber vieler Ämter und Würden), setzten sein Werk fort. Anselm Franz von Schönborns Witwe, Gräfin Maria Theresia von Schönborn, geborene Reichsgräfin von Montfort, brachte des Ausbau des Schlosses im Verein mit den Brüdern ihres Mannes zum krönenden Abschluss.

Die Schönborner waren eine kunstbegeisterte und von Baulust besessene Familie, die dem deutschen Barock im südwestdeutschen Raum sein besonderes Gepräge gaben. Namen wie Lothar Franz von Schönborn (Erzbischof von Mainz), Johann Philipp von Schönborn (Erzbischof von Würzburg), Damian Hugo von Schönborn (Kardinal und Bischof von Speyer), Friedrich Karl von Schönborn (Bischof von Würzburg und Bamberg) und Franz Georg von Schönborn (Erzbischof von Trier), die den großen Barockbaumeister Balthasar Neumann in ihren Diensten hatten, sind nicht nur jedem Kunstkenner vertraut, sondern auch jedem Reisenden, der einmal Würzburg, Bruchsal, Vierzehnheiligen, Neresheim usw. gesehen hat. Auch Heusenstamm wurde in diesen Kunstkreis einbezogen, wo im Auftrag der Gräfin Maria Theresia Balthasar Neumann in den Jahren 1739 bis 1741 zusammen mit dem Bildhauer Johann Wolfgang von der Auwera und dem Maler Christian Thomas Scheffler eine in rauschender Barockfülle und in Gold und Farbenpracht erstrahlende Kirche erbaute, die als Begräbnisstätte der Schönbornschen Familie dienen sollte und wohl die schönste Dorfkirche im mainfränkischen Kulturraum darstellt (St. Cäcilia). Neben dem Kirchenbau machte sich die Gräfin noch einen Namen durch den Erwerb des ehemaligen Klosters Patershausen, das in ein herrschaftliches Hofgut verwandelt wurde sowie durch den Bau des Schulhauses. Durch die zahlreichen Bauten sorgte Maria Theresia auch für Arbeit für die örtlichen Handwerker wie Dachdecker, Maurer, Schmiede, Schreiner, Wagner und Zimmerleute. Aber nicht alleine Arbeit verschaffte die Gräfin ihren Untertanen. Sie ordnete auch den Handel, regelte die Pfarrbesoldung und nahm sich vor allem den Armen an, für die sie mehrere Stiftungen errichtete. Eine von ihnen ist die "Milde Knabenstiftung" zur Erziehung und Ausbildung bedürftiger Heusenstammer Waisenkinder, die bis in das Inflationsjahr 1923 wirksam war.

Der Torbau, der von der alten Handelsstrasse, die von Würzburg über Aschaffenburg an Heusenstamm vorbei nach Frankfurt zog, in den rings von einer Mauer umgebenen Ort hineinführte, erinnert an eine glanzvolle Begebenheit. Er wurde im Jahre 1764 zu Ehren des Kaisers Franz I. von Habsburg-Lothringen erbaut, der anlässlich der Wahl seines Sohnes Joseph zum Römischen König und designierten Deutschen Kaiser acht Tage in Heusenstamm weilte, um hier die Durchführung der Wahl in Frankfurt abzuwarten, wovon Goethe in "Dichtung und Wahrheit" eingehend berichtet (so kommt es, dass der Wald von Heusenstamm sogar Eingang in die klassische Literatur gefunden hat). Im Schlossgarten hatte man eine große Holzhalle aufgestellt, wo die Herrschaften unter den Augen der schaulustigen Bevölkerung tafelten. Dieser so genannte Kaisersaal wurde 1830 wieder abgebrochen.

Im Jahre 1806 verlor auch die Herrschaft Heusenstamm ihre Selbständigkeit mit eigener Verwaltung und eigener Gerichtsbarkeit. Dies umfasste auch den Blutbann, das Recht, über Leib und Leben der Untertanen zu richten (von dem auch mehr als einmal Gebrauch gemacht worden war und an das noch heute die Überreste des alten Galgens erinnern). Heusenstamm kam zunächst zum Fürstentum Isenburg und wurde nach den Befreiungskriegen im Jahre 1816 dem Großherzogtum Hessen eingegliedert. Aus den Untertanen wurden nun freie Bürger. Die Auflösung des alten Herrschaftsverbandes in Verbindung mit der durch die Bauernbefreiung bedingten Ablösesummen brachte eine vollkommene wirtschaftliche Umschichtung. Diese kam zunächst in einer allgemeinen Verarmung zum Ausdruck und ließ das Dorf in einen Dornröschenschlaf versinken, aus dem es auch in den Revolutionsjahren 1848/49 nicht geweckt wurde. Erst die wachsende Industrialisierung, die in Offenbacher und Frankfurter Fabriken Verdienst und Brot brachte sowie der Aufschwung der Lederwarenfabrikation brachten auch Heusenstamm wieder wachsenden Wohlstand, der schnell die alten "Stadtmauern" sprengte und immer größere Flächen des wenig fruchtbaren Sandbodens mit Wohnhäusern und Werkstätten bebaute. Die Einwohnerzahl stieg stetig an: waren es im Jahr 1828 noch 818 Einwohner, waren es 1871 1.290 Einwohner, 1890 1.770 und zur Jahrhundertwende bereits 2.226 Einwohner.

Obwohl die Heusenstammer jahrhundertlang unter patriachalischer Herrschaft gelebt hatten, fanden sie früh zu genossenschaftlichen Formen, um mit den neuen sozialen Problemen fertig zu werden. Bereits 1864 wurde die Krankenkasse "Eintracht" (noch vor der Sozialreform Bismarcks) gegründet, in den Siebzigerjahren folgten zwei Spar- und Leihkassen, später noch zwei "Kohlenvereine" und ein "Konsumverein". Auch politisch standen die Heusenstammer ziemlich links, schon 1866 wurde ein "Arbeiterwahlverein" gegründet – rund um 1900 waren von neun Gemeinderäten acht Sozialdemokraten.

Das änderte sich eigentlich erst, als nach dem Ersten Weltkrieg die Gewerkschaften dafür sorgten, dass die Heimarbeiter vom "Land" nicht mehr in den Lederwarenbetrieben der Stadt Offenbach arbeiten durften. Viele machten sich selbständig, dazu waren für die 1925 auf mehr als 3.000 Einwohner angestiegene Bevölkerung Produktion und Handel kräftig gewachsen. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten war es auch um Heusenstamms Freiheiten geschehen: die Bürger verloren ihre Selbstverwaltungsrechte und hatten bald nicht viel mehr als zur Zeit der Leibeigenschaft zu sagen. Die Vereine wurden "gleichgeschaltet", die Gemeinderäte und Bürgermeister nicht mehr gewählt, sondern von oben ernannt. Allerdings schien die "braune Macht" nicht zufrieden mit dem gewesen zu sein, was die von ihnen ernannten Bürgermeister in Heusenstamm erreichten – immerhin wechselten sich in diesen 12 Jahren sechs Bürgermeister ab. Heusenstamms traditionell jüdische Bevölkerungsgruppe wurde bis 1942 auf vier Menschen dezimiert, die Synagoge in der Eckgasse in der Reichspogromnacht 1938 zerstört. 1939 mussten die Heusenstammer Männer wieder in einen Weltkrieg ziehen, der 263 Gefallene und Vermisste forderte. Am 26. März 1945 marschierten die Amerikaner in Heusenstamm ein, ohne dass es zu Kämpfen gekommen war.

Die dritte Blütezeit Heusenstamms begann in den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts. Diese stürmische Aufwärtsentwicklung lässt sich am besten am Anstieg der Einwohnerzahlen ablesen: 1946 = 4.215 Einwohner, 1950 = 4.460, 1960 = etwa 6.400, 1967 = etwa 13.000 Einwohner. Am 1. Januar 1977 wurde durch die Gebietsreform Rembrücken mit Heusenstamm vereinigt, die Einwohnerzahl stieg auf über 18.000. Für diese ständig wachsende Bevölkerung musste Wohnraum geschaffen werden. Ganze Stadtteile entstanden neu, wuchsen ringförmig um den alten Kern herum. Vielfältiges Gewerbe und moderne Industrie wurden ansässig, nicht zuletzt wegen der günstigen Verkehrslage im Rhein-Main-Gebiet.

Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg vom Dorf zur lebendigen und schmucken Kleinstadt, war 1959 die offizielle Ernennung zur Stadt durch die Hessische Landesregierung. Dies alles erforderte einen Ausbau der Infrastruktur: neue Strassen, die Erweiterung der Wasserversorgung und der Kanalisation, Klärwerk, Kindergärten und Schulen, Feuerwehrhaus, Schwimmbad, Stadtbücherei, Sport- und Kulturzentrum Martinsee und Altenzentrum. 1969 erweiterte die Stadt ihr altes Rathaus (altes Schulhaus) neben der Barockkirche St. Cäcilia  durch einen Anbau. Doch schon nach wenigen Jahren war es durch die ständig wachsenden Aufgaben der Verwaltung wieder zu klein. 1979/80 wurde das Schloss, das die Stadt vom Grafen Schönborn gekauft hatte, zum Rathaus umgebaut und erweitert.

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