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Segmented Approach: Offener Brief der betroffenen Kommunen

Flugzeuge über Heusenstamm.
Flugzeuge über Heusenstamm.

Die vom versetzten Anflugverfahren zum Flughafen Frankfurt, dem Segmented Approach, betroffenen Kommunen im Kreis Offenbach Heusenstamm, Hainburg, Neu-Isenburg, Obertshausen, Rodgau und Seligenstadt sprechen sich in ihrem gemeinsamen offenen Brief an das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum erneut gegen das Lärmverteilungsverfahren des Segmented Approach aus.

Aktueller Anlass ist die Information der Deutschen Flugsicherung (DFS), dass die Umsetzung des sogenannten AltMoC (Alternatives Nachweisverfahren) ohne angemessene vorherige Ankündigung angewendet wird. In der Sitzung der Fluglärmkommission am 10. Juli 2024 wurden die Kommunen darüber informiert, dass der Segmented Approach nur einen Tag später ab 11. Juli das Standard-Anflugverfahren zwischen 22.00 und 5.00 Uhr sein wird. Für eine zeitnahe Information der Bürgerinnen und Bürger in den betroffenen Städten und Gemeinden war keine Zeit mehr. Die genehmigten AltMoC dienen der Durchführung des Segmented Approach, also eines späteren Eindrehens auf den Endanflug der Südbahn auch bei Parallelbahnbetrieb und bei gleichzeitiger, betrieblich unabhängiger Nutzung der parallel zur Südbahn gelegenen Nordwestlandebahn.

„Es ist bemerkenswert, dass wir als betroffene Kommunen erneut viel zu spät informiert wurden. Unsere Rechte als Kommunen werden ignoriert. Die Flugsicherheit betreffende Informationen werden von den beteiligten Flugsicherheitsorganisationen als Geheimnisse von Bedeutung für die internationalen Interessen der Bundesrepublik eingestuft. Wir interpretieren diese Begründung als Vorwand, um eine sachliche Diskussion über die Vor- und Nachteile dieser eigentlich nur als Lärmschutzmaßnahme geplanten Verlegung der Anflüge über die schon durch Abflüge bei Betriebsrichtung Ost beeinträchtigten Städte und Gemeinden im Landkreis Offenbach im Keim zu ersticken,“ kommentiert Bürgermeister Steffen Ball, der neben Heusenstamm die Städte und Gemeinden Hainburg, Obertshausen, Rodgau und Seligenstadt in der Fluglärmkommission vertritt.

Die Kommunen haben Akteneinsicht und Zugang zu den Genehmigungsunterlagen beantragt. Auch das wurde verwehrt. Ball: „Mit absurden Argumenten verheimlicht das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) die Einsicht in die Verfahrensakte zu der Genehmigung der AltMoC. Die Stadt Heusenstamm hat stellvertretend für andere betroffene Städte und Gemeinden den Antrag auf Zugang zu den in der Verfahrensakte enthaltenen Umweltinformationen gestellt, aber nur geschwärzte und damit unleserliche Unterlagen erhalten. Wir gehen allerdings davon aus, dass dem Land Hessen ebenfalls entsprechende Unterlagen vorliegen und beantragen deshalb gemäß Hessischem Umweltinformationsgesetz (HUIG) Zugang zu diesen Umweltinformationen.“ Und Ball ergänzt: "Wichtig: Wir kämpfen nicht gegen den Flughafen - sondern für ein faires Verfahren."

Seit rund drei Jahren dauert nun der „Probebetrieb“ des Segmented Approach an, und dieses Anflugverfahren ist nach Meinung der Kommunen bis heute den Beweis schuldig geblieben, dass es zur Lärmentlastung führen kann. Bislang sei nur festzustellen, dass der Lärm nur unter Aufgabe ruhigerer Gebiete in der Region in der Fläche gestreut wird. In der Folge würden viele Menschen ohne passiven Lärmschutz zur geringfügigen Entlastung von Personen mit Schallschutzfenstern stärker belastet.
 

Offener Brief der betroffenen Kommunen Heusenstamm, Hainburg, Neu-Isenburg, Obertshausen, Rodgau und Seligenstadt an das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Wohnen und ländlichen Raum (vom 15.07.2024)

Segmented Approach; Anwendung der AltMoC - unabhängiger Betrieb

Sehr geehrte Frau Barth, sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit zeige ich [Anwalt] Ihnen an, dass ich die Interessen der Städte Neu-Isenburg, Heusenstamm und Obertshausen im Zusammenhang mit der Absicht, das sogenannte  Anflugverfahren des Segmented Approach im Regelbetrieb einzuführen, anwaltlich vertrete. Meine Bevollmächtigung setze ich als bekannt voraus. Eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung wird außerdem anwaltlich versichert.

Die von mir vertretenen Städte nehmen Anstoß daran, dass die Alt-MoC seit 11.07.2024 angewendet werden, und die betroffenen Kommunen nur einen Tag vorher - namentlich in der Sitzung der FLK vom 10.07.2024 - darüber informiert wurden. Die Kritik an dem sinnlosen Lärmverteilungsverfahren des Segmented Approach ist zu wiederholen. Ferner wird hiermit auch bei Ihrer Behörde Zugang zu Umweltinformationen beantragt, namentlich den Unterlagen, die zur Genehmigung der drei AltMoC erstellt worden sind, soweit sie Ihrer Behörde vorliegen.

I) Ab heute geplante Umsetzung der AltMoC

Nach der Mitteilung der FLK vom 10.07.2024 wendet die Flugsicherung (DFS) ab jetzt die drei offensichtlich trotz der Bedenken der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) erteilten "AltMoC"-Genehmigungen zur Abweichung von den angewendeten Standards in der Führung der Flugzeuge beim Anflug auf das bisher zur Lärmentlastung recht wirkungslos gebliebene Verfahren des versetzten Anflugs ("Segmented Approach") an. 

Die Fluglärmkommission (FLK), Ihre Behörde (HMWEVWLR) und andere Stellen, die sich für die Einführung dieses Anflugverfahrens in den Regelbetrieb einsetzen, haben es offenkundig nicht für nötig befunden, die betroffenen Kommunen und Bürger vorab von der Umsetzung zu informieren. Die Flugsicherheit betreffende Informationen werden von den beteiligten Flugsicherheitsorganisationen als Geheimnisse von Bedeutung für die internationalen Interessen der Bundesrepublik eingestuft, um jede sachliche Diskussion über die Vor- und Nachteile dieser eigentlich nur als Lärmschutzmaßnahme geplanten Verlegung der Anflüge über die schon durch Abflüge bei Betriebsrichtung Ost beeinträchtigten Städte und Gemeinden im Landkreis Offenbach im Keim zu ersticken.

Die einer Gebietskörperschaft zukommenden Rechte werden dabei ignoriert, obwohl das Bundesverfassungsgericht schon in seiner Entscheidung zur Festlegung des Lärmschutzbereichs des Flughafens Memmingen festgestellt hat, dass die kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) dem Staat eine gesetzliche Einschränkung der Planungshoheit einzelner Gemeinden nur dann erlaubt, wenn und soweit sich bei der vorzunehmenden Güterabwägung ergibt, dass schutzwürdige überörtliche Interessen diese Einschränkung erfordern (BVerfGE 56, 298 - Leitsatz). Wo soll hier vor Einführung des Segmented Approach eine Güterabwägung stattgefunden haben? Warum werden auch die betroffenen Bürger nicht informiert und wie unliebsame Störenfriede behandelt? 

Es ist schon lange nicht mehr verständlich, warum an dem Verfahren des Segmented Approach, welches den Nachweis, dass es zur Lärmentlastung führen kann, weiter schuldig bleibt, festgehalten wird. Seit ca. drei Jahren dauert nun der "Probebetrieb" des Segmented Approach an. Das Verfahren des Segmented Approach stellt sich für die Betroffenen als flugbetrieblicher Unsinn dar, der zu nichts anderem dient, als der Bevölkerung falsche Versprechungen über Lärmentlastungsmaßnahmen zu machen. Lärmentlastungen wären nur bei einer Verlagerung von z. B. wenigstens der Hälfte der Flüge in einer Stunde denkbar. Eine solche Verlagerung ist bei Auslastung des Flughafens nicht erkennbar, auch nicht zwischen 22 und 23 Uhr. Stattdessen steht nur fest, dass durch das Verfahren der Lärm unter Aufgabe ruhiger Gebiete in der Region in der Fläche verstreut wird. In der Folge werden viele Menschen ohne passiven Lärmschutz zur geringfügigen Entlastung von Personen mit Schallschutzfenstem stärker belastet. Das ist unsinnig.

Obwohl zahlreiche Maßnahmen zur Anhebung der Anwendungsquote des Flugverfahrens insbesondere während des andauernden "Probebetriebs" ergriffen wurden, sind die Verkehrsanteile über dieses alternative Flugverfahren mehr als bescheiden und äußerst gering zu nennen. Dies gilt offensichtlich insbesondere in Zeiten von mäßigem oder starkem Flugbetrieb. Eine Anwendung dieses Verfahrens ist offensichtlich nur in Zeiten ganz schwachen Flugverkehrs überhaupt möglich. 

Das Verfahren des Segmented Approach soll nach Ihren jüngsten Bemühungen (Stichwort: ATIS-Aufsprache, AltMoC) vor allem der Reduzierung der Fluglärmbelastung in der ersten Nachtstunde (22-23 Uhr) dienen. Eine Steilvorlage für die Fluggesellschaften zur weiteren Aufweichung des schon auf 6 Nachtstunden beschränkten Nachtflugverbots, an Kinder wird nicht gedacht.

Selbst in diesem Zeitraum von 22:00 Uhr bis 23:00 Uhr, für den besondere Anstrengungen Ihrerseits unternommen werden, lag im Juni 2024 der Anteil der Anflüge über den Segmented Approach bei einem als moderat zu bezeichnenden Anflugverkehr von 20 Landungen (zulässig 133 nächtliche Starts und Landungen, also ca. 30 bis 35 Landungen in der ersten Nachtstunde) nach unserer Auszählung nur noch bei bescheidenen 4,5 %! Im Mai 2024 waren es noch 8 % gewesen, während im verkehrsarmen März 2024 bei maximal zehn Landungen in der Nacht noch 65 % der Anflüge über den Segmented Approach geführt werden konnten.

Bei vernünftiger Betrachtung kann aus dem Probebetrieb also nur die Erkenntnis gezogen werden, dass das Anflugverfahren bei einer "normalen" Verkehrsauslastung unfliegbar ist und deshalb auch als (wirkungslose) Maßnahme des aktiven Schallschutzes aufgegeben werden sollte mangels für die Bevölkerung zu erzielender Entlastungseffekte.

Gleichwohl werden die Hoffnungen jetzt auf die drei AltMoC Genehmigungen gesetzt, obwohl die EASA bis zuletzt Bedenken gegen diese Abweichungen von den Flugsicherheits-Standards hatte. Mit den AltMoCs soll nach unserer Auffassung ein unabhängiger Anflugbetrieb auf die Süd- und Nordwestlandebahn trotz des Segmented Approach ermöglicht werden. Es wäre aber an der Zeit, verbindlich zu erklären, dass der Probebetrieb - sollten die AltMoC keine deutliche Hebung der Anwendungsquote auch in verkehrsreichen Zeiten ergeben - endgültig aufgegeben wird. Eine solche Erklärung wird aber, um der betroffenen Bevölkerung weiter Aktionismus vorzugeben, vermieden.

II.) Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen

Mit absurden Argumenten verheimlicht das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) die Einsicht in die Verfahrensakte zu der Genehmigung derAltMoC. 

Die Stadt Heusenstamm hat stellvertretend für andere betroffene Städte und Gemeinden den Antrag auf Zugang zu den in der Verfahrensakte der AltMoC-Genehmigung enthaltenen Umweltinformationen nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) des Bundes beim Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) gestellt, aber nur geschwärzte und damit unleserliche Unterlagen erhalten. 

Begründet wurde die Schwärzung damit, dass die Bekanntgabe der Sicherheitsbedenken gegenüber der Stadt die Flugsicherheit gefährdet! Wie soll die Stadt in den Flugbetrieb eingreifen? Allein die Erörterung von flugbetrieblichen Fakten soll also nach Auffassung des BAF für an- und abfliegende Flugzeuge gefährlich sein! Diese zutiefst undemokratische und bürgerferne Auffassung ist nicht zu akzeptieren. Hiergegen hat meine Mandantschaft den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit des Bundes (BfDI) angerufen und Widerspruch gegen die Schwärzung eingelegt. Über diesen Widerspruch ist noch nicht entschieden.

Gegenüber dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) ist das Bundesaufsichtsamt sogar noch weitergegangen und hat behauptet, die Weitergabe dieser Unterlagen den Segmented Approach betreffend an die Stadt Heusenstamm, könnte terroristische Angriffe auf den Flughafen nach sich ziehen! Das ist natürlich vollkommen absurd und zeigt, wie weit sich das BAF in diesem UIG-Verfahren von der Wirklichkeit und den Grundrechten entfernt hat.

Wir gehen allerdings davon aus, dass Ihnen ebenfalls entsprechende Unterlagen über das Anflugverfahren des Segmented Approach im Hinblick auf die Anträge zur Genehmigung der drei AltMoC vorliegen und beantragen deshalb gemäß Hessischem Umweltinformationsgesetz (HUIG)

Zugang zu diesen Umweltinformationen

Dies geschieht in der Erwartung, dass Sie - im Unterschied zum BAF - den Informationsanspruch meiner Mandantschaft respektieren. Die Voraussetzungen des Anspruchs liegen überdies vor. 

Es dürfte unstreitig sein, dass es sich aufgrund der Lärmauswirkungen des Anflugverfahrens um Umweltinformationen betreffend dieses Verfahrens handelt. Die Sicherheit des Menschen betreffende Faktoren sind übrigens gem. § 2 Abs. 3 Nr. 6 UIG ebenfalls per gesetzlicher Definition Umweltinformationen.

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der DFS sind - wie bei allen anderen Flugrouten - durch die Zurverfügungstellung von Unterlagen die flugbetrieblichen und lärmphysikalischen Grundlagen betreffend nicht beeinträchtigen. Die DFS bleibt die Erklärung schuldig, welche kaufmännischen Interessen sie durch Offenlegung der Verfahrensakte der AltMoC beeinträchtigt sieht, obwohl das Verfahren zur Überfühung in den Regelbetrieb veröffentlicht werden muss.

Öffentliche Interessen finden - insbesondere wenn es wie hier um Emissionen geht - gem. § 8 Abs. 1 HUIG keinen Schutz und bestehen, anders als vom BAF behauptet, auch nicht. Der Anspruch besteht deshalb. 

Wir gehen davon aus, dass sich Ihre Behörde, sehr geehrte Frau Barth, sich diesen Umweltinformationsrecht mit Füßen tretenden und rechtsstaatlich bedenklichen Standpunkt nicht zu eigen machen wird. 

Die Korrespondenz mit dem BfDI habe ich zu Ihrer Orientierung beigefügt (ANLAGE). 

Sollte Ihrerseits eine Ablehnung des gestellten Antrags beabsichtigt sein, bitten wir um Anhörung vor Erlass einer abweisenden Entscheidung, damit wir unseren Standpunkt unter Darlegung der Regelungen des HUIG konkretisieren können. Gegenwärtig erscheint der Anspruch so offensichtlich, dass auf eine solche Darlegung verzichtet wird. 

Vielen Dank für Ihre Mühen und Ihren Aufwand. Kosten werden unsererseits im gesetzlichen Rahmen gern übernommen. Die Zurverfügungstellung auf digitalem Wege ist für uns vollkommen ausreichend. Die interessierte Presse wird unsererseits über dieses Anschreiben unterrichtet.

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