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Volktrauertag 2024
Rede von Bürgermeister Steffen Ball anlässlich der Gedenkfeier zum Volkstrauertag:
"Wir erinnern heute an die schlimmsten Zeiten deutscher Geschichte, an die beiden Weltkriege und besonders an die Nazidiktatur – und ihre Toten.
Wir gedenken der gefallenen Soldaten und der getöteten Zivilisten, die ihren Widerstand gegen die Diktatur mit ihrem Leben bezahlten.
Der Zweite Weltkrieg mit mehr 55 Millionen Toten – Soldaten, Zivilistinnen und Zivilisten, Geflüchtete und Heimatvertriebene – war der größte und bislang blutigste zusammenhängende Konflikt in der Weltgeschichte. An seinem Ende lag ein ganzer Kontinent in Trümmern - und Europa wurde durch den Eisernen Vorhang während des Kalten Krieges geteilt.
Wir erinnern heute auch an Mitbürgerinnen und Mitbürger, die verfolgt und vernichtet wurden, weil sie als Jüdinnen und Juden, Mitglieder ethnischer Minderheiten oder Personen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen nicht in das rassistische Menschenbild der Nazis passten.
Auch in unserer Stadt haben wir Gefallene aus beiden Weltkriegen sowie deportierte und ermordete jüdische Familien zu beklagen.
Am heutigen Tag denken wir auch an die Opfer aus unserem Land und vielen anderen Ländern, die die Kämpfe und Gewaltausbrüche unserer unmittelbaren Gegenwart gefordert haben und immer noch fordern. Auch jetzt, während wir uns zu dieser Stunde des Innehaltens, der Trauer und des Erinnerns versammeln, kämpfen woanders Menschen um ihr Leben - oder sind in ihrer Freiheit bedroht.
Der diesjährige Volkstrauertag zeigt bedauerlicher oder vielmehr erschreckender Weise besonders deutlich, wie nah und dringlich die Friedensaufgabe tatsächlich ist, und dass der schwierige Weg der Versöhnung und des Friedens nie abgeschlossen ist.
Vielleicht sind wir mehr denn je gehalten und aufgefordert, aktuelle Geschehnisse ganz genau zu betrachten und unser Verhalten entsprechend anzupassen. Beispiele dafür gibt es leider genug: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, der Angriff der Hamas in und auf Israel, eine schwelende Taiwan-Invasion, weltweite Flüchtlingsbewegungen wegen kriegerischer Handlungen. Die Auflistung kann weiter fortgeführt werden.
Die Werte, die wir schätzen und die die Grundlage unserer Gesellschaft bilden, sie sind eindeutig keine selbstverständlichen Güter.
Ganz tagesaktuell werden wir Zeuginnen und Zeugen eines vor wenigen Tagen (wieder-)gewählten US-amerikanischen Präsidenten, der – so ist jedenfalls zu unterstellen – ebenfalls ein Anhänger der „Neuordnung der Welt“ ist, und der mit Make America great again die durchaus berechtigten Interessen seines Landes weit über das vernünftige Maß hinaus propagiert.
Welche konkreten Schritte die US-Administration nach der Amtseinführung am 20. Januar 2025 auch tatsächlich vollzieht: Unser Leben in Europa, unsere Demokratie und unsere gemeinsamen Werte werden auf den Prüfstand gestellt. Sie werden anders sein. Beziehungsweise: Sie werden anders sein müssen.
Wir werden unsere Verantwortung, unsere Sicherheit und unser Bewusstsein für uns als Bundesrepublik Deutschland, aber auch als Kontinent Europa, neu definieren und unterfüttern müssen: finanziell, personell und ideell.
Es ist davon auszugehen, dass unter der wärmenden Decke Amerikas kein ausreichender Platz mehr sein wird, und wir uns als Staatenbund gut aufstellen und wappnen müssen. Als Nationalstaaten im Sinne von Einzelkämpfern werden wir Europäerinnen und Europäer das nicht schaffen.
Auch auf uns als Stadt und Stadtgesellschaft werden andere – gegebenenfalls auch zusätzliche – Aufgaben zukommen. Wir werden unsere Sicherheit vor Ort neu denken müssen. Wir werden uns mehr um den Heimat- und Katastrophenschutz kümmern, ihn optimieren und entsprechend investieren müssen.
Von Anfang an hat der Magistrat unserer Stadt die Aufstellung eines von sechs deutschen Heimatschutzregimenten inhaltlich und öffentlich unterstützt. Die Heimatschützerinnen und -schützer sollen die aktive Truppe in der Amts- und Katastrophenhilfe, bei der Hilfe für befreundeter Streitkräfte oder bei Wach- und Sicherungsaufgaben an verteidigungswichtiger Infrastruktur unterstützen und entlasten. Zudem sind die Reservistinnen und Reservisten ein wichtiges Bindeglied zwischen Bundeswehr und Gesellschaft.
Mit dem Neubau einer modernen Feuerwache Heusenstamm auf dem ehemaligen Brückenbauhofgelände für den Brand- und Katastrophenschutz wollen wir einen weiteren wichtigen Schritt für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger gehen – zudem sind wir in Gesprächen, den neuen Standort mit der Ansiedlung von Katastropenschutz-Einheiten des Deutschen Roten Kreuzes und unserer Stadtpolizei zu einem echten Schutz-Zentrum auszubauen.
Meine Damen und Herren,
dauerhafter und gerechter Frieden braucht Offenheit, Beharrlichkeit und Vertrauen. Es gehört auch dazu, die Ursachen von Krieg zu verstehen. Schuld zu benennen und einzugestehen. Eine verdrängte Vergangenheit oder eine verordnete Versöhnung hingegen scheitern.
Um Frieden aufrecht erhalten zu können, müssen wir aktuelle Bezüge finden, da immer weniger Kriegsteilnehmende, Witwen und Kriegskinder mehr leben und sich auf den Weg zur Gedenkfeier anlässlich dieses Volkstrauertags machen können. Daran schließt sich auch die Frage an, wie wir diese Erinnerungslücken, die durch den Tod der Zeitzeuginnen und -zeugen entstehen, schließen können.
Es liegt an uns, an der heutigen und an künftigen Generationen, konsequent über Kriege und Auswirkungen von Kriegen zu informieren, und auch immer wieder zu betonen, wer die Gefallenen und die zivilen Opfer sind. Dafür bedarf es auch deutlicher Zeichen, wie dem gemeinsamen Ausdruck des Trauerns an Kriegsdenkmälern und Gedenktagen.
Sehen wir diesen Volkstrauertag als Tag der Trauer und der Mahnung, aber auch als Tag der Hoffnung auf Versöhnung und Verpflichtung für die Zukunft. Darum sind wir hier.
Ich danke dem VdK Ortsverband Heusenstamm für die Organisation und Ausrichtung dieses Volkstrauertags und dem Canto Corale, Michael Hittel und der Stadtkapelle Heusenstamm für die musikalische Begleitung. Mein herzlicher Dank geht auch an Pfarrerin Dr. Corinna Klodt (Evangelische Kirchengemeinde) für das Gebet und an die Reservistenkameradschaft Offenbach e. V. und die Feuerwehr Heusenstamm für ihre Unterstützung.
Wir werden gleich gemeinsam den Kranz am Ehrenmal niederlegen. Herzlichen Dank."
- Es gilt das gesprochene Wort -
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